Pferde gehören zur Wildnis

Wilde Pferde

 

Von Christine Buth

 

Das letzte echte Wildpferd wurde 1969 gesehen. Es war ein Przewalski-Pferd, die östliche Urform des Pferdes, das einst die gesamte eurasische Steppe bewohnte. Die Wildpferde sind verschwunden, weil sie sich mit Hauspferden paarten, weil der Mensch sie bejagte, um eben das zu verhindern, oder weil ihr Lebensraum zerstört wurde. Aber es gibt auch heute noch wild lebende Pferde: Verwilderte Hauspferde, wie den amerikanischen Mustang oder Rückzüchtungen ursprünglicher Pferderassen.

 

Wer ist hier der Boss? Leithengst oder Leitstute?

Bei wild lebenden Herden gibt es fast immer einen Leithengst und eine Leitstute. Die Aufgabe des Hengstes ist es, die Herde vor Angreifern zu schützen. Dazu hat er einen dicken Speckkamm auf dem Hals und oft auch Hakenzähne, die schmerzhafte Verletzungen herbeiführen können.

Keine Frage: Hengste sind die wehrhaftesten Tiere der Gruppe und machen den gefährlichsten Job. Deswegen haben sie selten die Chance alt und weise zu werden. Der eigentliche Chef einer Herde ist deshalb meist eine erfahrene Stute, sie bestimmt den Tagesablauf und weist den Weg zu den besten Futterplätzen. Der Hengst ist ihr Schutzschild, sie selbst ist zu wichtig, um sich solchen Gefahren auszusetzen.

Pferde sind außerordentlich soziale Tiere. Rangkämpfe gibt es meist nur in den unteren Rängen und die Führungspositionen sind nicht hart umkämpft. Im Gegenteil: Anders als bei Menschen ist eine Rolle als Anführer nur für wenige Pferde erstrebenswert. Deshalb wird immer wieder beobachtet, dass Herden, die ihren Anführer verloren haben, sich einer anderen Herde anschließen: Niemand will den Job übernehmen.

Zwei braune Hengste Kopf an Kopf

Pferde sind sehr soziale Tiere, Rangkämpfe gibt es nur selten

 

Przewalski-Pferde

Przewalski-Pferde sind die ursprünglichsten Pferde, die es heute noch gibt. Biologisch betrachtet sind sie die letzten Wildpferde, aber nur wenige von ihnen leben tatsächlich wild. Benannt sind die fahlgelben kleinen Pferde nach dem russischen Forscher Nikolaj Michailowitsch Przewalski, der sie 1878 erstmals beschrieb. Schon damals waren die stehmähnigen Urpferde allerdings sehr selten und kurz darauf verschwanden sie ganz. Nur in einigen Zoos gab es kleine Herden.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs war ihre Zahl jedoch auch dort auf 40 zusammengeschrumpft. Danach begann ein intensives Zuchtprogramm. Heute gibt es wieder rund 1500 Tiere. In den 1990er Jahren begann man außerdem mit der Wiederansiedelung von Przewalski-Pferden in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet: in der Mongolei und in Ungarn.

Eine Herde Przewalski-Pferde in der mongolischen Steppe

Die ersten Pferde wurden in der Mongolei ausgewildert

 

Mustangs und andere verwilderte Pferde

Mustangs sind wilde Pferde, aber keine Wildpferde. Sie sind die Nachfahren der Pferde, die spanische Eroberer mit auf den amerikanischen Kontinent brachten. Dort verwilderten sie und bildeten Herden. Schon 1579 gab es im Norden Mexikos wilde Pferdeherden, die sich nach Nordamerika ausbreiteten.

Um 1900 hatte die Zahl der Mustangs so stark zugenommen, dass sie den Haltern von Nutztieren die Weiden streitig machten. In den nächsten Jahrzehnten wurden Tausende Tiere geschlachtet und zu Katzen- und Hundefutter verarbeitet.

1971 beschloss der US-Kongress jedoch ein Gesetz, mit dem die Mustangs als „Symbol des historischen Pioniergeistes des Westens“ geschützt werden sollten. Da die Tiere keine natürlichen Feinde haben, gibt es heute mehr als 32.000 wild lebende Mustangs und etwa die gleiche Zahl in Auffangstationen – zu viele, wie die zuständige amerikanische Behörde sagt.

 

Eine Herde Mustangs an einem Wasserloch

Symbol des Pioniergeistes des Westens

 

Auch in Australien gibt es wilde Pferde. Sie heißen Brumbies und sind genau wie Mustangs wilde Nachkommen von Hauspferden. Die wilden Pferde vermehren sich so stark, dass sie in manchen Regionen als Plage gelten.

In Namibia hingegen haben die wilden Pferde einen natürlichen Feind: Wassermangel. Die Pferde von Garub leben in den kargen Ebenen am Rande der Namibwüste. Lange Dürreperioden führen immer wieder dazu, dass viele Tiere verhungern und verdursten.

2013 leben noch 286 wilde Pferde im Naturschutzgebiet Namib-Naukluft-Park. fünf aufeinander folgende Dürrejahre und die Zunahme der Hyänen-Ppulation ließ den Bestand auf nur noch 79 Tiere Ende 2018 schrumpfen. Die wilden Pferde von Garub sind akut vom Aussterben bedroht.

Die Pferde haben übrigens deutsche Vorfahren: Die meisten von ihnen sind Nachkommen von Militärpferden, die während des Ersten Weltkriegs verloren gingen oder zurückgelassen wurden.

 

Wieherndes Pferd in der Wüste Namibias

In der Wüste Namib haben einige verwilderte Hauspferde überlebt

 

Wilde Pferde in Deutschland

1316 wurden die Wildpferde im Merfelder Bruch bei Dülmen das erste Mal urkundlich erwähnt. Ende des 19. Jahrhunderts ließ der Herzog von Croy die letzten Tiere auf sein Land bringen, um sie vor der Ausrottung zu schützen.

Um Inzucht zu vermeiden, mussten immer wieder andere ursprünglich aussehende Rassen eingekreuzt werden: Koniks zum Beispiel, eine Rückzüchtung des ausgestorbenen Wildpferds Tarpan.

Die 300 Tiere, die heute im Merfelder Bruch leben, sind also streng genommen keine Wildpferde, sehen aber so aus. Sie sind braun oder grau und haben den typischen dunklen Aalstrich, der auf dem Rücken von der Mähne bis zum Schwanz verläuft. Manche haben außerdem dunkle Streifen an den Beinen, eine typische Wildzeichnung, die auch bei Fjordpferden vorkommt.

Kontakt mit Menschen haben die Dülmener Pferde nur in wirklich harten Wintern – dann wird zugefüttert – und immer am letzten Samstag im Mai. Dann werden die jungen Hengste der Herde von Hand eingefangen und anschließend verkauft. Eine außergewöhnliche Touristenattraktion.

 

Eine Herde grauer und brauner Pferde galoppiert über eine Lichtung

Die wilden Pferde vom Merfelder Bruch
Wir sollten die Liebe teilen
  
          

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