Das Gerät des niederländischen Uni-Spin-offs Cellcius setzt auf ein einfaches chemisches Prinzip und soll verlustfreie Speicherung gewährleisten.
Dass Europa sich von Gas als Quelle für Strom und Wärme schnell trennen sollte, ist nicht neu. Denn fossile Energien tragen in hohem Maße zum menschengemachten Klimawandel bei. Seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs ist vielen die vormals zu wenig beachtete geopolitische Dimension des Problems klar geworden. Erst kürzlich drehte der russische Energieriese Gazprom Polen und Bulgarien den Gashahn zu.
Speziell in Deutschland und Österreich ist die Abhängigkeit von russischem Gas groß. Die Frage, wie diese Situation entstehen konnte, sorgte bereits für innenpolitischen Zündstoff. Mit dem Programm “Raus aus Öl und Gas” fördert die Regierung den Austausch von fossilen Heizanlagen mit Fernwärmeanschlüssen bzw. eigenen Wärmepumpen. Nicht überall ist ein solcher Austausch einfach zu machen. Gerade in Städten ist Fernwärme oft nicht verfügbar oder das Ersetzen einer Gasheizung mit sehr hohen Kosten verbunden.
Hier kommt nun eine Erfindung des Start-ups Cellcius ins Spiel. Das Spin-off der Technischen Universität Eindhoven hat eine “Wärmebatterie” entwickelt, die laut den Forschern allein in den Niederlanden bis zu drei Millionen Haushalte von der Gasabhängigkeit befreien könnte – doppelt so viel, wie die Regierung sich selbst zum Ziel gesteckt hat. Sie soll praktisch verlustfrei arbeiten und billig herzustellen sein.
Das Gerät nutzt ein chemisches Verfahren zur Speicherung und Freisetzung von Wärme. Dafür sind lediglich zwei einfache und außerdem sehr gut verfügbare Zutaten vonnöten: zum einen Salzhydrat und zum anderen einfaches Wasser. Reagieren beide miteinander, so erfolgt eine Ausdehnung der Salzkristalle, wobei auch Wärme freigesetzt wird. Das Gleiche funktioniert auch umgekehrt. Bei der Zuführung von Wärme geben die Salzkristalle Wasserdampf ab und schrumpfen. Dies ermöglicht die verlustfreie Speicherung von Wärmeenergie bis zur Zugabe von Wasser. Der Prozess kann beliebig oft wiederholt werden. Wie das in der Theorie funktioniert, zeigt ein Video der TU Eindhoven:
Nutzung in der Praxis schwieriger als gedacht
Trotz des recht einfachen Prinzips ist die praktische Nutzung als Wärmeakku eher schwierig. Ganze zwölf Jahre dauerte die Entwicklung eines Prototyps. Ein großes Problem war es beispielsweise, eine Salzart zu finden, die während des Prozesses weder ihre Eigenschaften einbüßt, noch sich auflöst oder verklumpt. Die Wahl fiel schließlich auf Kaliumkarbonat, da es sich leicht gewinnen lässt, in verschiedensten Produkten und Lebensmitteln vorkommt und damit schon seit Langem Teil unseres täglichen Lebens ist.
Seit 2019 wird das Prinzip testweise in einem geschlossenen Kreislauf mit Wärmetauscher, Ventilator, Kondensator und Boiler verwendet, das einen Output von sieben Kilowattstunden schafft. Das reicht laut Aussage der Entwickler aus, um einen typischen Vierpersonenhaushalt zwei Tage lang mit Wärme zu versorgen. Mit diesem Test gelang es, eine EU-Förderung in der Höhe von sieben Millionen Euro für die weitere Entwicklung zu bekommen.
Alltagsbetrieb schon jetzt möglich
Aktuell ist der Alltagseinsatz der Wärmebatterie bereits möglich. Das Gerät sieht aus wie ein großer Kühlschrank und hat eine Anzeige, die verrät, wie viel Wärme noch verfügbar ist und wann der Salzakku wieder geladen werden muss. Das Salz verteilt sich dabei modular auf mehrere kleine Speicher, da sich ein Behälter nicht nur teilweise nutzen lässt, sondern aufgrund der Feuchtigkeit stets die Wärme des gesamten Hydrats freigesetzt wird. Außerdem ermöglicht die modulare Bauweise auch mehr Freiheit beim Formfaktor.
Noch dieses Jahr soll ein praxisnaher Testbetrieb in vier europäischen Haushalten starten. Dabei werden Wärmeakkus mit einer Kapazität von 70 Kilowattstunden zum Einsatz kommen. Das Prinzip wird aktuell auch zur Verteilung von Abwärme getestet. Allein in den Niederlanden werden pro Jahr 150 Petajoule an Abwärme freigesetzt, heißt es. Diese könne theoretisch ebenfalls mit dem Prinzip nutzbar gemacht werden.
Ein anderes Projekt soll 2023 beginnen: In Zusammenarbeit mit Sabic (Saudi Basic Industries Corporation) am Chemelot Campus im niederländischen Sittard-Geleen wird mit einer “Wärmewiederaufladestation” Salzhydrat mithilfe von Abwärme getrocknet und per Lkw in eine nahe gelegene Wohngegend gebracht. Dort sollen dann fünfzig Häuser mit der aus dem Hydrat gewonnenen Wärme versorgt werden.
Quellen:
https://newatlas.com/energy/molten-salt-battery-grid-scale-storage-low-temp/
https://interestingengineering.com/molten-salt-12-week-battery
https://www.derstandard.de/story/2000135239332/waermebatterie-mit-salz-koennte-millionen-haushalte-von-gas-unabhaengig-machen
https://efahrer.chip.de/news/salz-waermebatterie-statt-gas-wie-eine-erfindung-millionen-haushalte-waermen-soll_107889