Jeder kennt das Gefühl, Hunger zu haben: das buchstäbliche Loch im Bauch, das immer größer wird, verbunden mit wachsendem Unwohlsein und innerer Unruhe. Millionen Menschen auf der Welt erleben das täglich, und viele verhungern auch buchstäblich, vor allem die Jüngsten. „Mehr als 7.000 Kinder unter fünf Jahren sterben jeden Tag an den Folgen von Hunger und Mangelernährung“, sagt Andrea Sonntag, ernährungspolitische Referentin der Welthungerhilfe.

 

ALLE 12 SEKUNDEN STIRBT EIN KIND AN HUNGER

 

 

Noch drastischer formuliert Bernhard Walter, Referent für Ernährungssicherheit beim evangelischen Entwicklungsdienst Brot für die Welt: „Von Kindern unter fünf Jahren sterben drei Millionen jährlich an den Folgen von Mangelernährung; das sind sechs Kinder jede Minute“, sagte Walter der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

 

Zwar gibt es seit Jahrzehnten „Aktionspläne“ der Staatengemeinschaft, um dem massenhaften täglichen Verhungern von Menschen ein Ende zu setzen. Doch effektiv ist das Vorgehen nicht. „Man muss sich die Frage stellen, warum die internationale Staatengemeinschaft ständig proklamiert, den Hunger zu beenden, dies aber nicht erreicht“, sagt Walter. Die „Ansagen“ der Staatengemeinschaft „zweifeln wir an“, so der Experte von Brot für die Welt.

 

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Bereits 1974 habe man beim ersten Welternährungsgipfel versprochen, dass innerhalb von zehn Jahren kein Kind mehr hungrig zu Bett gehen müsse. Doch die Wirklichkeit sah anders aus.

 

20. Jahrestag des Globalen Aktionsplans gegen Hunger

Dann, vor knapp 20 Jahren, am 13. November 1996, wurde beim Gipfel der Welternährungsorganisation (FAO) in Rom ein „Globaler Aktionsplan“ verabschiedet. Die Teilnehmerstaaten verpflichteten sich, die Zahl der damals 800 Millionen chronisch unternährten Menschen auf der Welt bis 2015 zu halbieren. Es gebe das „fundamentale Recht, frei von Hunger zu sein“, hieß es damals. „Wir halten es für unerträglich, dass so viele Menschen, insbesondere in den Entwicklungsländern, nicht genug zu essen haben. Diese Situation ist unannehmbar.“

 

Afrika hungert – und alle schauen weg - Main-Post

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Die Kritik von Nichtregierungsorganisationen, die damals parallel in Rom tagten, an dem Aktionsplan ließ nicht lange auf sich warten. Der Aktionsplan enthalte weder einen Zeitrahmen noch messbare Zielvorgaben. Die Kritiker behielten Recht. Eine Halbierung der Zahl der Hungernden bis 2015 sei „nicht erreicht worden“, so Welthungerhilfe-Expertin Sonntag. 2015 betrug die Zahl der chronisch unterernährten Menschen 795 Millionen. Das ist etwa jeder zehnte der inzwischen fast 7,5 Milliarden Menschen weltweit.

 

Experten kritisieren fehlenden politischen Willen

Wer nun denkt, Hunger sei ein afrikanisches Problem, irrt. „Über die Hälfte der mehr als 795 Millionen Menschen, die weltweit hungern, kommt aus dem asiatisch-pazifischen Raum – ein Viertel lebt in Afrika“, heißt es beim Welternährungsprogramm WFP. In Zahlen: Von den Hungernden der Gegenwart leben rund 511 Millionen in Asien und der Pazifik-Region, 232 Millionen in Afrika. Allerdings: Der Anteil der Hungernden an der Bevölkerung sei mit 20 Prozent in Afrika am höchsten.

 

Brot-für-die-Welt-Experte Walter betont: Solange der politische Wille nicht besteht, eine Agrar- und Wirtschaftspolitik zu etablieren, die den Hungernden und Armen dient, werde „diese biblische Plage noch sehr lange bestehen“.

 

 

„Wir müssen unseren Regierungen auf die Finger schauen.“

— Andrea Sonntag, Welthungerhilfe

Doch was ist konkret zu tun? Kleinbauern müsse Zugang zu Krediten und Märkten ermöglicht werden; gerade Frauen müssten gleichberechtigten Zugang haben, fordert Andrea Sonntag. Nahrungsmittel-Rohstoffmärkte müssten reguliert, Handelsverzerrungen auf den globalen Agrarmärkten verhindert werden. „All dies ist möglich; es bedarf aber politischen Willens“, unterstreicht die Ernährungsexpertin der Welthungerhilfe. „Länder wie Brasilien haben gezeigt, dass es möglich ist, den Hunger zu überwinden“, betont sie.

 

Die Organisation begrüßt daher den Plan, mit dem sich 193 Staaten im September 2015 verpflichteten, Hunger und Fehlernährung aus der Welt zu schaffen: die Agenda 2030. Denn es sei „nicht hinnehmbar, dass tagtäglich millionenfach das Menschenrecht auf Nahrung verletzt wird“, betont Sonntag. Sie mahnt jedoch, dass positive Veränderungen nicht automatisch kämen: „Wir müssen unseren Regierungen auf die Finger schauen.“

 

Von Norbert Demuth (KNA)

 

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