von Tanja Seehofer

Wer aus vollem Atem schöpfen kann, dem ist es möglich, das Leben in seiner Fülle zu genießen. Der Atem ist die elementarste Quelle des Lebens – der Schrei eines Neugeborenen signalisiert den ersten Atemzug, das letzte Ausatmen den einsetzenden Tod. Der Atem bringt Bewegung in unseren Körper. Nur ein atmender Körper ist auch ein lebendiger Körper.
Unser Atem - Prana, Chi, die Quelle des Lebens

Auch wenn die Atmung automatisiert über das vegetative Nervensystem geschieht, kann sie durch bewusstes Training beeinflusst werden. Während des Einatmens strömt Luft in die Lungen und der Brustkorb weitet sich; ebenfalls spannt und dehnt sich das Zwerchfell. Im Ausatmen leeren sich die luftgefüllten Lungen und Brustkorb sowie Zwerchfell entspannen sich und kehren in ihre Ausgangsposition zurück. Die Atmung ist ein Kreislauf, in dem Spannung kontinuierlich auf- und wieder abgebaut wird.

Unabhängig davon, ob wir unsere Lungen mit voller Kraft oder mit eingeschränktem Volumen nutzen, nehmen wir über unsere Atmung am Leben um uns herum teil. Durch die Atmung ist das Innere unseres Körpers samt seinen Schätzen und Erfahrungen ein Leben lang mit der Außenwelt verbunden. Aufgrund von Stress und mangelndem Wohlgefühl kann der Atem allerdings empfindlich beeinträchtigt werden. Für viele Menschen stellt es bereits eine Überforderung dar, bewusst und intensiv auf den Takt des eigenen Atems zu hören. Dieses Phänomen nennt sich der „Tausendfüßler-Effekt“. Beginnt ein Tausendfüßler damit, sich Gedanken darüber zu machen, wie er seine tausend Füßchen koordinieren muss, gerät er darüber schnell ins Stolpern. Der „Tausendfüßler-Effekt“ kann abklingen, wenn Sie das bewusste Atmen mehrmals am Tag üben.

Wichtigster Atem-Muskel: das Zwerchfell

 

Über unsere Atmung sind wir direkt mit unseren Emotionen und der Wahrnehmung der Umgebung verknüpft. Jeder Mensch hat schon einmal in einer Schrecksekunde den Atem angehalten. Auch den bekannten Kloß im Hals kennen viele. Dieses Gefühl kann leicht anhand der Physiologie des Zwerchfells erklärt werden. Dieser ehemals im Kiemen ansässige Muskel ist im Laufe der Evolution in den Bauchraum gewandert. Das Zwerchfell stellt eine Art anatomische Grenze zwischen Bauch- und Brustorganen dar und wird bei jedem Atemzug in drei Dimensionen aktiv.

Bei einem vollen Atemzug können die beweglichen Zwerchfellflügel eine Strecke von acht bis zwölf Zentimeter zurücklegen. Doch die wenigsten Menschen nutzen dieses Volumen. Durch Stress und Belastung atmet der Großteil der Menschen verkrampft, sodass dem Zwerchfell nur etwa drei bis fünf Zentimeter an Bewegungsspielraum zur Verfügung stehen. Ziel von Atemübungen ist es, das Zwerchfell zu lösen, um wieder auf das volle Atemvolumen zurückgreifen zu können.

Wichtigster Atem-Muskel: das Zwerchfell

 

Bauch- und Brustatmung richtig einsetzen

Die meisten praktischen Übungen regen dazu an, mit dem Bauch- und Brustatmen zu experimentieren. Auf keine der beiden Atemarten kann verzichtet werden, beide sind gleichermaßen wichtig. Pflegt man es aus Gewohnheit, beim Atmen den Bauch zu heben und senken, dann praktiziert man den sogenannten Buddha-Atem, auch Atem der Kontemplation genannt. Die Atmung wirkt entspannend, lösend und regenerierend. Bewegen sich bei der Atmung hauptsächlich die Rippen nach oben und unten, dann legt man den Fokus auf die Brustatmung. Hierbei verlagert sich die Atmung sichtbar nach oben. Die Brustatmung wird auch Atem der Aktivität genannt, da gerade bei Aktivitäten wie Joggen, Tanzen oder Laufen der Atem hauptsächlich im Brustkorb stattfindet.

Die eigene Vergangenheit und Körperstruktur können individuelle Atemmuster entwickeln und prägen. Gehören Sie zu den Menschen, die aus Gewohnheit hauptsächlich über den Bauch atmen, dann würde es Ihnen guttun, die Atmung teilweise in den Brustkorb zu verlagern. Ausgeprägte Brustatmer verspüren häufig eine kontinuierliche Unruhe. Hier ist eine vermehrte Bauchatmung ein Weg, um den Körper zur Ruhe zu bringen. Durch Atemübungen können Sie Ihren Atemtyp herausfinden und Wege erlernen, um die jeweils andere Art der Atmung vermehrt zu nutzen. Während in Stresssituationen die Bauchatmung eine entspannende Wirkung hervorruft, lässt sich mit der Brustatmung mehr Schwung und Tatkraft ins Leben bringen.

Durch die falsche Atmung kann unser Körper auch ernsthaft erkranken. Oft atmen Menschen mit einem stressigen Alltag zu schnell, zu kurz und zu viel ein. Durch die Überdosis an Sauerstoff kann es zu einem Hyperventilations-Syndrom kommen, bei dem sich die Muskeln verkrampfen und Schwindelgefühle entstehen. Das Hyperventilieren kann durch weiches Ausatmen und langsames Einatmen, also eine Verringerung der Sauerstoffzufuhr, gestoppt werden und das Zwerchfell wieder die Hauptarbeit der Atmung übernehmen.

Bauchatmung – Atmung der Entspannung

Die Basis aller Atemübungen ist der Buddha-Atem. Üben Sie diese Art des Atems solange, bis Sie damit vertraut sind. Empfehlenswert ist es, eine Woche lang den Atem der Entspannung zu praktizieren, zwei Mal täglich für jeweils 10 Minuten. Die Muskeln des Halses und der Schultern bleiben während der Atemübungen entspannt. Der Buddha-Atem unterstützt dabei, innere Ruhe, Frieden und Sanftmut zu schaffen. Menschen, die unter Schlafstörungen leiden oder einen sehr stressigen Alltag haben, hilft der Buddha-Atem sich zu entspannen.

Übung: Der Buddha-Atem

Übung: Der Buddha-Atem

Erste Phase:

Legen Sie sich bequem auf den Boden. Sie können beim Üben die Augen schließen. Konzentrieren Sie sich auf das Ausatmen und lassen Sie in weichen und langgezogenen Atemzügen die Luft aus Ihrem Köper entweichen. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Bauch und beobachten Sie, wie sich dieser bei jedem Ausatmen langsam senkt.

 
Zweite Phase:

Ihre Aufmerksamkeit verlagern Sie jetzt auf das Einatmen. Während der Atem in Sie hineinströmt, lockern und dehnen Sie speziell die Muskeln rund um die Lendenwirbel. Geben Sie der Ausdehnung Ihres Brustkorbes und des Zwerchfells einfach nach und beobachten Sie, wie sich Ihr Bauch bei jedem Zug des Einatmens leicht nach außen wölbt. Bringen Sie beide Hände auf Ihren Bauch. Während des Einatmens spüren Sie, wie sich Ihre Bauchdecke in die Handflächen hineinformt. Beim Ausatmen folgt Ihre Hand Ihrem Bauch näher an den Körper.

Dritte Phase:

Achten Sie auf die Bewegungen Ihres Körpers beim Ausatmen und legen Sie am Ende jeden Ausatmens eine kurze Atempause ein, während Sie leise bis zwei zählen. Beim Einatmen weitet sich der Rücken. Die Luft kann durch die Nase eingeatmet werden, denn so kann der Körper die einströmende Atemluft bereits filtern, was die Bronchien und Lungenbläschen entlastet.

Brustatmung – Atmung der Aktivität

Nach einer Woche, in der Sie den Atem der Entspannung praktiziert haben, können Sie sich dem Atem der Aktivität zuwenden. Eine alltagstaugliche Anwendungsempfehlung wäre es, direkt nach dem Aufstehen einmal täglich den Atem der Aktivität für die Dauer von fünf bis zehn Minuten zu üben.

Übung: Vorbereitung zum Atem der Aktivität

Legen Sie sich bequem auf den Boden, oder sitzen Sie aufrecht auf einem Stuhl, schenken Sie der Bewegung Ihrer Rippen volle Aufmerksamkeit. Sie können die Augen beim Üben schließen. Schultern und Nacken verweilen entspannt in ihrer Ausgangsposition. Platzieren Sie Ihre Hände seitlich auf den Rippen und verstärken Sie den Druck Ihrer Daumen sanft im weichen Zwischenraum zwischen zwei Rippen.
Zählen Sie gedanklich von eins auf sechs, während die Luft in Ihr Inneres strömt. Spüren Sie wie die Rippen sich nach Außen weiten. Verweilen Sie nun ein bis zwei Sekunden in einer kurzen Atempause und atmen Sie dann mit einem hörbaren langen „Mhm“ wieder aus. Wiederholen Sie dies nun einige Runden. Bei dieser Übung werden die Muskeln der Zwischenrippen aktiviert und gestärkt. Parallel wird das Zwerchfell von aufgebauter Spannung befreit und behutsam angeregt.
Tanja Seehofer - Tanja

© Foto Jens Schnabel

Tanja Seehofer ist Bewusstseinsforscherin, Dipl. Intuitions- Mental- und Wingwavecoach (u.a. Traumatherapie), Entspannungstherapeut mit dem Fokus Stressmanagement und Humanenergetik.

Sie unterrichtet Yogaklassen, Retreats, Workshops sowie Weiterbildungen im In- und Ausland und ist erfolgreiche Autorin der Bücher “Yin Yoga des Herzens” und “Yoga gegen Burnout – gelassen und selbstsicher im Stress”.

„Wie heilsam und schön ist es doch im Leben, sich selbst zu begegnen …“ Was genau damit gemeint ist, lernte sie auf sehr unsanfte Weise kennen. Nach einem tiefen Burnout und einer schweren Depression erfuhr sie auf ihrem Weg zur Heilung wie sehr Yoga – vor allem Yin Yoga und Vipassana Meditation – den Weg zur Gesundung beeinflussen. Sie kündigte nach 19 Jahren ihren Job als Casterin bei einer sehr bekannten Filmproduktion München und widmete sich ganz dem Yoga mit Schwerpunkt YIN YOGA, Yoga Nidra, Burnout-Prävention, Meditation und Stressmanagement. Tanja ist Ausbilderin im Fachbereich „Restoratives Yoga und Yoga Nidra“ und leitet Yin Yoga Teacher Trainings in Deutschland, Österreich, Schweiz. Ebenso wirkt sie als Yogacoach bei Filmproduktionen mit.

Quelle:  www.tanjaseehofer.de