Spanien ist geplagt von einer andauernden Wirtschaftskrise, und die eigene Regierung geht den Weg der Austerität, diktiert durch die EU und ihren großen Ökonomien. Spanien baut Jobs ab, kürzt bei den Ärmsten und lässt die Schwachen bluten. Die Reichsten werden von den Regierenden bisher eher wenig belastet. Somit gleicht die spanische Politik der der anderen europäischen Länder, die von unten nach oben umverteilt und Schulden sozialisiert.

 

Wir befinden uns im Jahre 2016 n. Chr. Ganz Spanien ist vom Neoliberalismus besetzt … Ganz Spanien? Nein! Ein von unbeugsamen Sozialisten und Sozialistinnen bevölkertes Dorf hört nicht auf dem Eindringling Widerstand zu leisten. Marinaleda gilt Vielen als ein sozialistisches Musterdorf, das von den Bastionen des Neoliberalismus umzingelt ist.

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Das Dorf ist mit seinen 2.800 EinwohnerInnen im Süden von Andalusien ein Dorf  unter vielen anderen. So mag man meinen. Die Unterschiede fallen auf, wenn man die Arbeitslosenzahlen des Dorfes mit denen der anderen Städte und Dörfer der Region vergleicht. In Andalusien sind 30 % der Menschen erwerbslos, in Marinaleda hingegen kein einziger. Für den Unterschied sorgte vor allem der Bürgermeister Juan Manuel Sanchez Gordillo, der 1979 in den ersten freien Wahlen zum Bürgermeister gewählt wurde und seitdem bei jeder Wahl mit überwältigendem Ergebnis wiedergewählt wird. Sanchez Gordillo hat mit Hilfe der BürgerIinnen etwas geschaffen, das nicht nur in Spanien einmalig sein dürfte. Sie haben alle zusammen einen Ort aufgebaut, in dem kein Mensch ohne Lohn oder Arbeit ist und jeder ein eigenes Haus erhält.

 

„Ich bin Antikapitalist, Pazifist, Öko und Utopist“ sagt Gordillo über sich selbst. Der Bürgermeister, der so gut wie nie ohne ein Palästinensertuch herumläuft und in dessen Büro ein großes Bild des Revolutionärs Che Guevara hängt, lebt seinen Antikapitalismus aus. Bei den ersten Wahlen kandidierte er für eine linke Partei, die heute Teil der Vereinigten Linken ist. In dem Dorf ist die Sozialdemokratie die am weitesten rechts stehende Partei, die hier überhaupt Mitglieder hat.

Die Straße der weißen Dörfer ANDALUSIEN

Die stolze Geschichte des Widerstands

In dem Ort ist alles in Genossenschaften organisiert, die zusammenarbeiten und den Menschen einen sicheren Arbeitsplatz verschaffen. Die Geschichte der Genossenschaften ist eine Geschichte des Widerstands, eine Geschichte, die in der heutigen Zeit Mut und Hoffnung spenden kann. Im Jahr 1979 begannen die DorfbewohnerInnen sich für Nutzungsflächen einzusetzen, die damals dem ehemaligen Franco-General El Infantado gehörten. Zwölf Jahre lang blockierten EinwohnerInnen von Marinaleda die Villa des Generals, um die Nutzungsrechte für El Humoso, eine 1.200 Hektar Fläche zu erhalten. Sie blockierten Schienen und Landebahnen auch in umliegenden Städten; sie ließen sich auch nicht  von den Schergen des Generals oder Verhaftungen einschüchtern.

 

Sie kämpften für ihren Traum von einem Leben ohne Armut, einem Leben in dem alle Menschen gleich sind. Nach zwölf Jahren, kurz vor der Expo in Sevilla, war es so weit. Die Politik gab auf, kaufte dem ehemaligen General sein Land ab und stellte es den Bewohnern des Dorfes zur Verfügung. Wenig später gründeten sie die Genossenschaft „El Humoso“, die Oliven, Paprika, Saubohnen und Artischocken anbaut und in der Dosenfabrik des Dorfes abfüllt und verkauft. Die Genossenschaft erwirtschaftet jährlich fünf Millionen Euro und erzielt dabei einen Gewinn von 3% und das, ohne Menschen zu entlassen oder anderen Sozialabbau zu betreiben. Im Dorf verdient jeder das gleiche, genau 1.200 Euro. Gordillo, der als Bürgermeister von der Region bezahlt wird und im andalusischen Regionalparlament sitzt, spendet alles, was er über diese 1.200 Euro einnimmt, ebenfalls. So unterstützt er mit seinen Spenden NGOs oder die Genossenschaft selbst, die von diesem Geld und von ihrem Gewinn ihre Produktion verbessert oder das Geld an das Dorf weiterleitet.

Ein Haus für 15 Euro

In Sevilla werden jeden Tag vier Familien vor die Tür gesetzt, da sie durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes ihre Mieten nicht mehr zahlen können. In Marinaleda verliert kein einziger Mensch seine Wohnung, da das Dorf gemeinsam mit der Genossenschaft Wohnraum für alle bezahlbar macht. Was im Dorf angebaut und wie investiert wird, das entscheiden die Stadtversammlung oder die Versammlung der Genossenschaftler, je nach Aufgabenbereich. In Marinaleda entscheiden die BürgerInnen, wann welche Häuser renoviert werden, wie das neue Altersheim finanziert und vor allem, wie viele neue 15-Euro-Häuser gebaut werden.

 

Die Häuser erwecken Neid in ganz Spanien, denn sie sind das beste Gegenbeispiel für all jene, die behaupten, dass der Antikapitalismus Utopie ist. Marinaleda stellt jedem Dorfbewohner und jeder Dorfbewohnerin ein Grundstück zur Verfügung, gratis. Über ein Programm der andalusischen Regierung wird das Baumaterial bezuschusst, Architekt und Maurer bezahlt die Dorfgemeinschaft. Die restlichen Kosten betragen ca. 50.000 Euro, 100.000 Euro weniger als in den übrigen Gemeinden. Um diesen Betrag abzuzahlen, müssen die Dorfbewohner jeden Monat 15 Euro entrichten. Durch diesen niedrigen Betrag wird sichergestellt, dass kein Mensch in Marinaleda in Armut leben muss und dass die Häuser nicht verkauft, sondern nur vererbt werden. In Marinaleda gilt eine Weisheit, die der Rest der Welt vergessen zu haben scheint: „Wohnen ist ein Menschenrecht und keine Ware, mit der Handel betrieben werden kann.”

Auch wenn es von den SozialdemokratInnen im Dorf Kritik am System gibt, da es zu undemokratisch sei, obwohl die DorfbewohnerInnen mehr Mitspracherecht haben als in anderen Gemeinden, ist es ein immenser Fortschritt, wenn die DorfbewohnerInnen über alle wichtigen Schritte mit entscheiden können. Dies führt dazu, dass die meisten Menschen im Dorf zufrieden leben, da sie weder Sozialchauvinismus noch Rassismus ausgesetzt sind und über wirklich demokratische Rechte verfügen. Gordillo mag eine übermächtige Figur im Dorf sein, da seine Pläne die Zukunft stark mitgeprägten, doch seine Macht nutzt er nicht aus.

 

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