Corona-Proteste: „Ich habe nicht für diese Freiheit gekämpft“

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Corona-Proteste:„Ich will einfach nur wieder arbeiten“

Bei den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen in den USA tummeln sich Verschwörungstheoretiker und Waffenfans. Doch viele Demonstranten haben auch nachvollziehbare Motive.
Corona-Proteste: Protest gegen den Shutdown in den USA
Protest gegen den Shutdown in den USA © Nicholas Kamm/​AFP/​Getty Images 

In der Innenstadt von Harrisburg gibt es kaum ein Durchkommen. Die Straßen rund um das Parlament von Pennsylvania sind verstopft von hupenden Autos. Am Heck der zahlreichen Pick-up-Trucks wehen USA-Fahnen. „Die Todeszahlen sind gefälscht, die Virus-Gefahr ist gefälscht“ steht auf einem Zettel, den der Fahrer eines grauen Pkw in seinem linken Rückfenster angebracht hat. Es ist Montagmittag und in der Landeshauptstadt haben Trump-Fans, rechte Waffenrechtler und allerlei andere Aktivisten das Parlamentsviertel in Beschlag genommen. Sie demonstrieren gegen die Ausgangsbeschränkungen und dagegen, dass weite Teile der US-Wirtschaft stillgelegt sind. Die Maßnahmen hatte Gouverneur Tom Wolf vor knapp einem Monat zur Eindämmung der Corona-Pandemie erlassen. Obwohl seitdem Infotafeln auf den Autobahnen darauf hinweisen, dass man zu Hause bleiben soll, lässt die Polizei vor Ort die Demonstranten am Montag gewähren.

Auf einer Mauer vor dem Kapitolsgebäude steht eine junge Frau mit roter Hose, die sich selbst als Ashley vorstellt. „Ich will einfach nur wieder arbeiten“, sagt sie und muss die Stimme heben, um das laute Hupen und Johlen im Hintergrund zu übertönen. Mitte März, als Pennsylvanias Gouverneur die Stilllegung vieler Betriebe anordnete, verlor sie ihren Job als Autoverkäuferin. „Es ist schwer, die Rechnungen zu bezahlen“, sagt sie. Ersparnisse habe sie zwar, „aber die sind fast erschöpft“. Deshalb steht sie nun mit knapp 2.000 Mitstreitern hier in Harrisburg, um eine Rückkehr zur Normalität zu fordern.

Es ist nicht der erste Protest dieser Art. In der vergangenen Woche hatte es in zahlreichen anderen Bundesstaaten ähnliche Kundgebungen gegeben. Die Demonstranten forderten jeweils ein Ende der Ausgangsbeschränkungen und dass die Wirtschaft wieder hochgefahren wird.

Aufgestachelt aus dem Weißen Haus

Angestachelt wurden die Proteste in mehreren Fällen von extrem rechten Gruppen wie den Proud Boys und bewaffneten, selbst ernannten Milizen. Auch in Harrisburg tauchen am Montag schwer bewaffnete Aktivisten in Tarnkleidung auf. Ein Militärlastwagen kreuzt auf der North 3rd-Street, auf der Ladefläche tummeln sich Männer mit Sturmgewehren. Eine Szene, wie man sie von Aufnahmen aus Kriegsgebieten kennt – nur dass die Aktivisten hier vor dem demokratisch gewählten Parlament einer westlichen Industrienation „patrouillieren“.

Angestachelt werden die Demonstranten im ganzen Land aber nicht nur von rechten Splittergruppen, sondern auch aus dem Weißen Haus. Per Twitter rief US-Präsident Donald Trump am Freitag unter anderem dazu auf, Virginia, Michigan und Minnesota zu „befreien“ und den zweiten Verfassungszusatz zu verteidigen, aus dem konservative US-Amerikaner ein weitgehend uneingeschränktes Recht ableiten, Schusswaffen zu besitzen.

Und seine Anhänger folgen. Fragt man die Demonstranten in Harrisburg nach Trump, hört man nur Positives über den Präsidenten, der ihrem Protest den Rücken stärke. Der kollektive Hass richtet sich vielmehr gegen die Weltgesundheitsorganisation, die US-Gesundheitsbehörde CDC und Gouverneur Wolf – einen Demokraten. Seit Trump vergangene Woche verkündete, dass die Bundesstaaten selbst entscheiden sollen, wann sie die Corona-Restriktionen wieder lockern, wettern dessen Anhänger immer zügelloser gegen ihre Landesregierungen.

Die Gesundheitsgefahr ist hoch

Dass die vermeintlichen Freiheitskämpfer sich mit ihren Protesten in Gefahr begeben, scheint Trump nicht zu stören. Obwohl derartige Versammlungen den Richtlinien widersprechen, die der US-Präsident vor einigen Wochen noch selbst verbreitet hatte. Doch die Gesundheitsgefahr ist hoch, sagen Experten. Der Epidemiologe Eric Feigl-Ding von der Harvard-Universität etwa warnte mit Blick auf die Protestversammlungen am Montag per Twitter vor einem neuen Anstieg der Infektionsfälle in zwei bis vier Wochen. Viele Demonstranten in Harrisburg sind augenscheinlich im fortgeschrittenen Rentenalter und gehören somit zur Risikogruppe für schwere Krankheitsverläufe. Dennoch stehen sie am Montagmittag Schulter an Schulter, um gegen die Maßnahmen zu protestieren, die Menschen wie sie schützen sollen. Kaum jemand hier hält sich an Abstandsregeln oder hat eine Schutzmaske aufgesetzt. Wer trotzdem eine trägt, ist teils dem Spott der Umstehenden ausgesetzt.

Der Protest in Harrisburg und anderswo ist mehr als nur einen Frustausbruch fanatischer Trump-Fans. Zwar tummeln sich hier Verschwörungstheoretiker, radikale Abtreibungsgegner und religiöse Rechte. Aber es sind eben auch einigermaßen besonnen wirkende Kleinunternehmer, die Corona durchaus ernst nehmen, aber für nuanciertere Vorsorgemaßnahmen plädieren. Sie sorgen sich um ihre Existenz. Die soziale Absicherung in den USA ist rudimentär. Dass Menschen einfach nur zurück zur Arbeit wollen, ist für einige eine Überlebensfrage.

Doch bei vielen Protestteilnehmern geraten nachvollziehbare Motive und seltsame Verdächtigungen durcheinander. Da ist zum Beispiel der Mann, der eben noch analytisch über die Vor- und Nachteile der vom US-Kongress verabschiedeten Hilfspakete spricht und kurz darauf gegen die US-Gesundheitsbehörde wettert, die die Todeszahlen hochspiele, und seine Angst vor jenen äußert, die den „Sozialismus“ einführen wollen.

Und auch Ashley, die Frau, die ihren Arbeitsplatz verloren hat und kurz zuvor von Finanzierungsproblemen sprach, poltert Sekunden später gegen die Medien, die den Menschen nur „Angst einflößen wollen“. Auf dem Schild, das sie hochhält, steht, dass die Nazis schon einen Spruch gehabt hätten, mit dem sie staatlichen Missbrauch begründet hätten: „Es geschieht zu eurer eigenen Sicherheit.“

Die Demonstranten mit den besonders provokanten Plakaten scheinen zu wissen, dass sie so die Aufmerksamkeit der Medien auf sich ziehen können. Um sie scharen sich immer wieder die Kamerateams.

 

 

Den Lockdown können die Proteste allerdings nicht beenden. Während die Karawane hupender Automobile am Harrisburger Kapitol vorbeizieht, legt Gouverneur Wolf am selben Tag sein Veto gegen eine parlamentarische Gesetzesinitiative ein, die zahlreichen Betrieben die Wiederaufnahme ihres Geschäfts eröffnet hätte. Eine zu frühe Wiedereröffnung von Zehntausenden von Unternehmen werde nur die Ausbreitung des Virus erhöhen, mehr Leben gefährden, die Zahl der Todesopfer erhöhen und die durch die Pandemie verursachten wirtschaftlichen Schwierigkeiten verlängern, lässt Wolf mitteilen. Noch mindestens bis zum 8. Mai sind die Bürger Pennsylvanias also weiter angehalten, zu Hause zu bleiben. Ob die Anhänger des Präsidenten sich auch daran halten? Nach dem Protest am Montag scheint das eher unwahrscheinlich.

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