Den Trick der Pharmaindustrie, Altes als Neu zu verkaufen, kennen wir bereits. Kein Weg ist ihr zu schäbig und moralisch zu verwerflich, um ihn nicht einzuschlagen, um Gewinne zu maximieren. So verwundert es nicht, dass einige dieser Unternehmen sogar darauf zurückgreifen, Grenzwerte zu senken und Krankheiten sogar zu erfinden, um den ahnungslosen und gutgläubigen Menschen ihre Produkte anzudrehen.

 

Grenzwerte senken

Ein wichtiger Weg mehr Kundinnen und Kunden zu akquirieren ist natürlich der, die Anzahl der Bedürftigen zu erhöhen. Dafür muss der Bedarf für ein oder mehrere Medikamente ausgebaut bzw. erst geschaffen werden. Logisch.

Umso mehr Patienten es gibt, desto mehr kann der Arzneimittelhersteller verkaufen und schlussendlich verdienen. Und wie macht man das als skrupelloses Pharmaunternehmen am besten? Indem man einfach so Glück hat und die Grenzwerte sinken. Oder man diese selbst sinken lässt.

 

Das lukrative Spiel mit den Grenzwerten

Blutzucker. Bluthochdruck. Fettwerte oder Übergewicht. Selten ist ein Grenzwert, der die Grenze zwischen gesund und krank definiert, heute noch identisch mit den Normwerten von früher. Das ist einerseits natürlich auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse zurückzuführen. Andererseits vermuten viele Kritiker und Kritikerinnen dahinter jedoch den Einfluss der Pharmaindustrie auf die ärztlichen Fachgesellschaften„Es gibt oft keine seriösen oder korrekt durchgeführten Studien, die belegen, dass eine solche Normwert-Senkung das Leben verlängert oder vor Erkrankungen schützt“kritisiert u.a. der Heidelberger Arzt Gunter Frank.

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Cholesterin und Co – das Geschäft mit den Grenzwerten

Ein Beispiel gefällig? Heutzutage leidet fast jeder zweite Deutsche an einem zu hohen Cholesterinwert. Und warum „leidet“ er oder sie darunter? Nicht etwa, weil die Ernährungsweise damit zu tun hat. Sondern schlicht und einfach, weil der Grenzwert gesenkt wurde, sodass viel mehr Menschen in diese Problemkategorie hineinfallen – ohne natürlich wirklich körperlich darunter leiden zu müssen.

Kritische Stimmen diesbezüglich werden immer lauter. Und weisen darauf hin, dass der Grenzwert für Cholesterin, ohne wissenschaftlichen Grund, laufend gesenkt wird. Ein einfacher und lukrativer Weg für die Industrie, gesunde Menschen zu Patienten und Patientinnen zu machen. Und logisch: Je tiefer die Grenzwerte, desto mehr Cholesterin-Senker kann die Pharmaindustrie verkaufen. Und umso mehr Gewinne können erzielt werden.

Ein schlauer Trick, der noch immer wirkt. Denn diese PR-lastige Verteufelung von Cholesterin wurde von Wissenschaftler:Innen lange schon entlarvt. Und es wurde klargestellt, dass dieser Stoff das Opfer einer industriellen Verleumdungskampagne geworden ist.

Komplett absurd. Denn durch dieses permanente Herabsetzen der Normwerte wird praktisch jede:r über 20-Jährige zu Risikopatienten und damit zu Dauerkunden für Lipidsenker.

 

Im Verlauf ihrer Recherche zur Dokumentation Cholesterin, Blutdruck und Co – Das Geschäft mit den Grenzwerten ist die Filmerin Christine Grabner sogar auf zahlreiche ähnliche Grenzwert-Lügen gestoßen. So vermutet sie bei Vitaminmangel und bei Bluthochdruck dasselbe Spiel. Denn viel zu oft redet die Pharmaindustrie bei diesen Grenzwert-Justierungen mit. Gesunde werden so krank gerechnet, um mehr Gewinne erzielen zu können.

 

Der Schmäh mit dem Prä

Ein weiterer Trick der Pharmaindustrie: die Prophylaxe. Inzwischen behandeln Ärztinnen und Ärzte nämlich auch Krankheiten in ihrem Prä-Stadium. Heißt: noch bevor diese ausbrechen können, soll diesen schon vorgebeugt werden. Prä-Diabetes, Prä-Hypertonie, Prä-Demenz und Prä-Osteoporose usw. – sind mitunter die heißesten Kandidaten in dieser Reihe.

Alles wird mittlerweile vorbeugend behandelt. Obwohl die vermeintlichen Patientinnen und Patienten überhaupt keine Beschwerden haben und nicht einmal sicher ist, ob diese überhaupt absehbar sind.

 

Erfundene Krankheiten

Krönung in diesem perfiden PR-Spielchen der Angstmache sind natürlich all jene „Krankheiten“, die nicht einmal wirklich Krankheiten sind. Im Englischen gibt es aufgrund der häufigen Verbreitung dieser sogar eine offizielle Bezeichnung dafür: „Disease Mongering“. Hierbei versucht man, Menschen, denen es gesundheitlich gut geht, davon zu überzeugen, dass sie krank sind. Oder leicht Kranke, dass sie schwer krank sind.

Auf einen Satz gebracht: „Disease Mongering erweitert die Grenzen dessen, was im öffentlichen Bewusstsein als behandlungsbedürftige und behandelbare Krankheit wahrgenommen wird, um den Markt für diejenigen zu vergrößern, die eine Behandlung verkaufen.“

 

Die Spielarten des Disease Mongering

Diese erfundenen Krankheiten können in mehreren Spielarten auftreten. Diese wären:

  • Seltene Symptome werden als gravierende Krankheiten dargestellt (z. B. Erektionsstörungen).
  • Normale Prozesse des Lebens werden als medizinisches Problem verkauft (z. B. Haarausfall).
  • Leichte Beschwerden werden zu Vorboten schwerer Leiden aufgebauscht (z. B. Reizdarmsyndrom, Restless-Legs-Syndrom).
  • Persönliche oder soziale Probleme werden in medizinische Probleme umgemünzt (z. B. social phobia).
  • Risiken werden als Krankheit verkauft (z. B. geringe Knochendichte wird zu Osteoporose).

 

Diagnose: Wechseljahre

Diese Beispiele sind natürlich nur die Spitze des Eisbergs an hochstilisierten Pseudo-Krankheiten, die uns zur Kassa bitten sollen. Das System Disease Mongering führt immer neuere und skurrilere Pseudokrankheiten ins Marketingfeld. Neues Mitglied in diesem illustren Club sind mittlerweile auch schon die Wechseljahre.

Früher galten diese als ein normaler Prozess im Leben einer jeden Frau. Heute lautet die Diagnose oft: Hormonmangel! Und her mit der Kohle für Medikamente, die nicht viel bringen. Ein weiterer PR-Gag: die Wechseljahre beim Mann. Echter Hormonmangel oder Markteing? Man braucht auf diese Antwort nicht wirklich gespannt sein.

Analog dazu sollen inzwischen auch viele Männer mittleren Alters an einem Testosteronmangel leiden. Besteht hier ein medizinischer Handlungsbedarf? In den meisten Fällen wohl eher nicht.

 

Das Sissi-Syndrom: die Anatomie einer PR-Krankheit

Das s.g. Sissi-Syndrom ist wohl das beste Beispiel um darzulegen, inwiefern die Pharmafirmen mit PR-Agenturen zusammenarbeiten. Ende der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts tauchte dieses Krankheitsbild vermehrt in den Medien auf. Worum geht es?

Diese Pseudokrankheit beschreibt eine Gruppe von Patientinnen, die sich sehr aktiv geben, aber vermeintlich an einer Depression leiden. Die Idee dahinter ist klar. Antriebslose Leute gelten als vermeintlich depressiv und nun sollen es auch noch jene sein, die umtriebig sind. Fazit: Depression für alle! Später kam jedoch ans Licht, dass eine gewiefte PR-Agentur dieses Krankheitsbild nur erfunden hat. Im Auftrag eines Pharmaunternehmens natürlich.

Um der Krankheit einen Aufmerksamkeitsheischenden Namen zu geben, hat man sich eine historisch bekannte Identifikationsfigur gesucht, die darunter gelitten haben soll.

 

Das Spiel mit der sexuellen Dysfunktion

Ein weiteres Beispiel für die Umtriebigkeit der Pharmafirmen uns ihren Nonsens anzudrehen, ist die sexuelle Dysfunktions-Störung der Frau. 2015 wurde in den USA das Medikament „addyi“ zugelassen. Eine Art Viagra für die Frauen.

Nebenwirkungen: Schwindel und Ohnmachtsgefühle. Wirkungen: Eine Sexualstörung bei Frauen lindern, die wissenschaftlich nie belegt wurde. Dieses „Medikament“ ist daher überflüssig, so Kritiker und Kritikerinnen.

 

Zu Risiken und Nebenwirkungen…

Natürlich wenden nicht alle Pharmaunternehmen solche perfiden Methoden an, um sich gewissenlos zu bereichern. Und es sollte jedem klar sein, dass nicht jede Krankheit erfunden ist. Doch allgemein gilt, dass man bei umstrittenen Diagnosen eher vorsichtig sein sollte. Es gilt sich gut über ein Krankheitsbild zu informieren. Und im Zweifel eine andere Ärztin, einen anderen Arzt aufzusuchen, um eine zweite Meinung einzuholen.

 

Quellen:

https://warda.at

https://www.akdae.de

https://www.focus.de