Die Erfinder des neuen Kraftstoffes versprechen einen deutlich niedrigeren Verbrauch
Das Thema um den “Wunder-Diesel”, der von Heion, einem deutschen Unternehmen aus Siblin in Schleswig-Holstein, erfunden wurde, hat in den letzten Tagen erneut Fahrt aufgenommen. Natürlich wird im Zuge des seit dem VW-Dieselskandal ausgerufenen Tod des Selbstzünders auch der sogenannte “Clean Diesel” kritisch beäugt. In der Berichterstattung schwingt häufig die Frage mit, warum es denn noch eines solchen Aufwands bedarf, um eine ohnehin abgeschriebene Technologie weiter betreiben zu können.
Es seien nur zwei Gedanken dazu geäußert: Zum einen ist der Klimawandel kein regionales Problem und wird ganz bestimmt nicht dadurch entschieden, dass in Deutschland nur noch Elektroautos fahren. Zum anderen gibt es Fahrzeuge mit Dieselantrieben, die deutlich größer sind und mehr Schadstoffe ausstoßen als ein Pkw. Dazu zählen Baumaschinen ebenso wie Hochseeschiffe, LKW oder Dieselloks. Für diese Fahrzeuge wird es auch in den nächsten Jahren kaum vollelektrische Lösungen geben, die die Umwelt und das Klima nachhaltig schützen. Insofern ist der Ansatz des “Heion Clean Diesel”, der von den Verantwortlichen des Unternehmens lediglich als “Brückentechnologie” gesehen wird, ein durchaus gangbarer Weg.
“Wunder-Diesel” fließt bereits in den Zapfsäulen – allerdings nur in Rheinland-Pfalz
Das patentierte Verfahren basiert nach eigene Aussagen auf einer “Technologie zur Modulierung molekularer Strukturen. Gasförmige und flüssige Ausgangsstoffe werden dabei erstmalig ohne hohen Druck und Zufuhr von Wärme chemisch verändert. Bei der Produktion werden die Dieselmoleküle im ersten Schritt radikalisiert und im zweiten Schritt stabilisiert – ähnlich einer Veresterung.” Kurz, in der von Heion entwickelten Anlage wird mithilfe von Hydroxylionen das Gesamtspektrum der Kohlenwasserstoffketten des Diesels optimiert, was in der Konsequenz zu einer besseren Verbrennung führen soll. Das dabei keine 100 Prozentige Reduzierung der Schadstoffe möglich ist, bleibt natürlich ein Problem.
Euro-5-Diesel für Messung zugrunde gelegt
Für die Messung und die Senkung der Schadstoffe legte das Unternehmen übrigens Euro-5-Diesel zugrunde. Ein logischer Schritt, denn mit Euro 6 sind die Diesel – wenn sie nicht über die Software manipuliert werden – in der Lage, ähnliche Werte zu erzielen und tanken dabei eben herkömmlichen Dieselkraftstoff. Heion verspricht für seinen gereinigten Diesel in Euro-5-Fahrzeugen 9 Prozent weniger Verbrauch, 16 Prozent weniger Stickoxidausstoß und 10 Prozent weniger CO2-Ausstoß. Wobei sich diese Werte auf den Stadtverkehr beziehen. Hinzu kommen 75 Prozent weniger Rußpartikelausstoß bei Fahrzeugen ohne Rußpartikelfilter und 44 Prozent weniger Kohlenmonoxidausstoß im Fahrzeugbetrieb außerhalb der Stadt. Ermittelt wurden diese Werte im Straßenbetrieb, also bei der von der Europäischen Union seit 2017 geforderten Mobilen Emissionsmessung (PEMS).
Kritiker mögen jetzt anmahnen, dass dennoch bei jeder Fahrt kohlenstoffhaltiger Kraftstoff verbrannt wird, was nichts anderes zur Folge hat, als dass dabei CO2 entsteht. Das ist richtig. Zumal, wenn man von lediglich 10 Prozent Einsparung im Stadtverkehr spricht, ist das auf den ersten Blick nicht viel. Zumal, wenn jetzt noch die Kosten der Anlage und die Herstellung in Rechnung gestellt werden und man dann auch noch die CO2-Neutralität ins Kalkül zieht. Dann muss man feststellen, dass das unterm Strich nichts bringt.
Eine ähnliche Rechnung könnte bei den Stickoxid-Werten aufgemacht werden. Da Diesel nicht mit einem Zündfunken, sondern durch stark komprimierte Luft erhitzt wird, entsteht ein Luftüberschuss und damit auch mehr Stickstoffoxide. Seit 2009 werden die gesundheitsschädlichen Stickoxide bei Dieselfahrzeugen übrigens auch noch durch die Beigabe von Adblue im Schnitt auf 50 Milligramm pro Kilometer reduziert. Vorausgesetzt, die Beigabe des Harnstoffs wird nicht mithilfe der Software manipuliert. Mit dem “Clean Diesel” würde der Wert um weitere 16 Prozent reduziert, übrig blieben 42 Milligramm pro Kilometer. Im Vergleich zu einem Benziner, der in seiner kleinsten Ausführung nur 19 Milligramm pro Kilometer ausstößt, ein Unding. Wobei hier Leistungsdaten und der Gasfuß des Fahrers ebenfalls eine Rolle spielen, was zur Folge hat, dass auch ein Benziner locker mit 60 Milligramm pro Kilometer aufwarten kann.
Führt der Wunder-Diesel ins Nichts?
Wenn man die Rechnung also auf diese Art aufmacht, gewinnt man den Eindruck, dass ein gereinigter Diesel, auch mit Blick auf die hierzulande ausgerufene Elektrifizierung aller Pkw, ins Nichts führt. Erweitert man aber den Horizont und schaut auf die eingangs schon erwähnten großen Dieselfahrzeuge, erscheint das Ganze vielleicht doch sinnvoll. Nehmen wir als Beispiel die Schifffahrt. Hochseeschiffe tragen erheblich zur Verschmutzung der Luft bei. Schwefeloxide, Stickoxide, Feinstaub und Ruß schädigen die Luftqualität enorm.
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) berichtet auf seiner Website, dass allein in der Europäischen Union jährlich 50.000 Menschen vorzeitig durch Schiffsabgase, im Besonderen Rußpartikel, sterben. Zudem seien Rußemissionen nach Kohlenstoffoxiden die zweitgrößten Klimatreiber. Bedenkt man zudem, dass 85 Prozent aller Schiffsemissionen in der nördlichen Hemisphäre entstehen, besteht nach Ansicht des NABU in Europa und in Deutschland mit seiner großen Frachtschiffflotte dringender Handlungsbedarf für Reedereien, Hafenbetreiber und Politik.
Und warum sollte hier nicht der “Clean Diesel” zum Einsatz kommen, der bei der Verbrennung 75 Prozent weniger Rußpartikelausstoß verspricht? Gleiches gilt für den Lkw-Verkehr, der von 2015 bis 2020 überproportional zugenommen hat. Natürlich hat auch die europäische Gesetzgebung Pläne für die Emissionsverringerung bei den Lastkraftwagen bis 2030 gemacht. Ob die aber eingehalten werden und wie es ab 2030 weitergeht, kann keiner sagen. Die momentanen Auflagen werden jedenfalls erst 2025 neu bewertet. Warum sollen die Fahrzeuge also bis dahin nicht vorzugsweise mit einem Diesel fahren, der in seiner Beschaffenheit die Schadstoffwerte bereits reduziert? Weiter ginge es bei Baufahrzeugen und -maschinen, die ebenfalls mit dem “Clean Diesel” betankt werden könnten.
Auch andere Firmen optimieren den Diesel
Spinnt man den Gedanken weiter und stellt sich vor, dass weltweit alle eben aufgelisteten Diesel-Großmaschinen mit “Clean Diesel” betankt werden, dann könnte das schon erheblich zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen. Und dass der Gedanke nicht völlig versponnen ist, beweist ein kanadisches Unternehmen mit dem Namen Dynacert, das mithilfe einer “Carbon Emission Reduction Technology” dafür sorgen will, dass weniger Schadstoffe bei der Verbrennung von Dieselkraftstoffen in die Umwelt gelangen.
Spinnt man den Gedanken weiter und stellt sich vor, dass weltweit alle eben aufgelisteten Diesel-Großmaschinen mit “Clean Diesel” betankt werden, dann könnte das schon erheblich zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen. Und dass der Gedanke nicht völlig versponnen ist, beweist ein kanadisches Unternehmen mit dem Namen Dynacert, das mithilfe einer “Carbon Emission Reduction Technology” dafür sorgen will, dass weniger Schadstoffe bei der Verbrennung von Dieselkraftstoffen in die Umwelt gelangen.
Das alles mag wie schon gesagt beim Blick auf die groß angekündigte Energiewende und die absehbare totale Elektrifizierung der individuellen Mobilität belächelt oder gar für Unsinn gehalten werden. Bewegt man sich aber mal aus der europäischen Klimaschutzblase heraus und betrachtet das Bild realistisch, dann wird es Dieselfahrzeuge in der einen oder anderen Art vorerst auch weiter geben müssen. Natürlich bedarf es, um die Welt zu retten, mehr. Aber warum sollen Dieselfahrzeuge nicht im Zuge eines globalen Umwelt- und Klimagedankens bis dahin mit “Clean Diesel” gefahren werden? Zumal das Verfahren bereits für 40 Länder patentiert ist.
stern.de