Bäume kommunizieren miteinander und tauschen Informationen über Schädlinge aus. Ihre ätherischen Öle können unsere Selbstheilungskräfte nachhaltig stärken. Wir verraten, warum das so ist und wie Sie Ihren individuellen Kraftbaum finden.
Wie riechen Bäume für dich? Kannst du dich spontan an den süßen Duft blühender Linden im Juni erinnern? Oder weißt du, wie im Sommer Kiefern- und Fichtenwälder duften? Besonders nach einem Sommergewitter, wenn viele Duftstoffe durch die Feuchtigkeit in der Luft gelöst sind, wird ein Waldspaziergang zu einem Fest der Sinne. Was riecht da und berührt uns so sanft auf vielen Ebenen?
Es sind die Phytonzide der Bäume. Bäume sind unsere größten Heilpflanzen. Die Baummedizin nutzt die wertvollen Phytonzide, die vor allem in den ätherischen Ölen enthalten sind. Phytonzide bilden das natürliche Abwehrsystem der Bäume. Das Wort leitet sich ab von den griechischen Worten phytón, das „Pflanze“ bedeutet und cide, das mit „töten“ übersetzt wird. Jeder Baum muss sein Holz, Blätter und Nadeln gegen Insekten und Würmer schützen.
Hierfür entwickelt er antibakterielle und pilztötende Stoffe, so beispielsweise die Harze. Die Phytonzide dienen außerdem der Kommunikation. Bäume verfügen über eine Fülle „Vokabeln“, einer Art eigener Baumsprache. Inzwischen sind an die 2.000 Duftstoff-Vokabeln bekannt. Bäume informieren sich untereinander über solche Dinge, wie „gefräßige Käfer im Anmarsch“, „Blattläuse rechts voraus“ oder auch einfach „Ich habe Durst“.
Wie viele Phytonzide in der Luft liegen, hängt von der Jahreszeit, vom Wetter und der aktuellen Schädlingssituation ab. Im Sommer bei Temperaturen um die 30 Grad Celsius ist die Konzentration am höchsten. Beim einem Wald- oder Parkspaziergang können diese Geruchsmoleküle der Bäume unseren Organismus positiv beeinflussen.
Die Phytonzide werden über die Haut und unsere Lungen in unserem Körper aufgenommen und wirken auf unser Immunsystem bis in die kleinsten Körperzellen. Hier wirkt die frische Waldluft wie ein Heiltrunk der Aromatherapie.
“Wald stärkt unser Immunsystem”
Der österreichische Biologe und Buchautor Clemens Arvay sammelt internationale Forschungsergebnisse zur Wirkung des Waldes auf unsere Gesundheit. Er ist überzeugt: “Der Wald hilft uns gegen Depressionen, gegen psychische Stressbelastungen und Burnout. Aber er stärkt auch unser Immunsystem, kann uns vor ernsthaften chronischen Krankheiten schützen und sogar vor Herzinfarkt.”
Schon der Anblick von Wald tut gut
Eine der frühesten Studien zur gesundheitlichen Wirkung des Waldes erschien schon 1984 im Wissenschaftsmagazin “Science”. Demnach wirkt allein der Anblick von Bäumen messbar positiv. Patienten, die nach einer OP aus dem Krankenhausfenster ins Grüne schauten, wurden schneller gesund als die, die nur auf eine Hausmauer sahen. Die Patienten mit Baumblick benötigten auch weniger Schmerzmittel.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine große Studie des Umweltpsychologen Marc Berman 2015 an der Universität Chicago: Je weniger Bäume in einer Wohngegend stehen, desto höher das Risiko für typische Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Schwäche, Bluthochdruck oder Diabetes.
Ein Waldspaziergang wirkt beruhigend
Britische Forscher wiesen zudem nach, dass Bewegung im Wald auch die Stimmung hebt und Stress abbaut.
Die vielfältigen Sinneseindrücke, wie das Zwitschern der Vögel und der Geruch von Tannennadeln, stimulieren die Aktivität des Parasympatikus, so Clemens Arvay. “Das ist ein wichtiger Teil unseres Nervensystems, der für Erholung und Regeneration bis auf Zellebene verantwortlich ist.” Es sei bekannt, dass im hektischen Stadtleben der Gegenspieler des Parasympathikus, der Sympathikus, sehr aktiv ist. “Und deswegen brauchen gerade wir modernen Menschen diesen Wald als Ausgleich.”
Schützt Waldluft auch vor Krebs?
Bei einem Waldspaziergang atmen wir Stoffe ein, mit denen Pflanzen untereinander Botschaften austauschen – sogenannte Terpene. Sie stärken unser Immunsystem. Für eine Studie der Nippon Medical School in Tokio quartierten die Forscher zwölf Testpersonen in einem Hotel ein. Bei der einen Hälfte wurde die Atemluft in der Nacht mit einem Mix aus Waldluft angereichert. Am nächsten Tag wiesen die Blutproben genau dieser Teilnehmer eine deutlich höhere Zahl und Aktivität der körpereigenen Killerzellen auf. Für Studienleiter Professor Qing Li eine bahnbrechende Erkenntnis. “Mein Experiment hat gezeigt, dass die Terpene Immunzellen wie die natürlichen Killerzellen stimulieren, und das verstärkt die Wirkung der Immunfunktion”, sagt er. Der Pionier der Waldmedizin hofft, dass sich mit der Kraft der Bäume vielleicht sogar Krebserkrankungen verhindern lassen. “Vielleicht können Ärzte in Zukunft den Wald als Medizin verschreiben”, sagt er.
“Waldbaden” als Gesundheitsvorsorge
In Japan sind Waldbesuche sogar seit Jahren Teil der Gesundheitsvorsorge. Der Begriff “Shinrin-yoku” bedeutet übersetzt “Waldbaden” und ist eine japanische Tradition. 2012 wurde an japanischen Universitäten sogar ein eigener Forschungszweig für “Waldmedizin” eingerichtet.
“Bäume haben ein reiches Sozialleben”
In Deutschland beschäftigt sich der Förster und Bestseller-Autor Peter Wohlleben mit dem Wald und seiner Wirkung auf die Menschen. Für ihn sind Bäume mehr als Lieferanten von Holz und Sauerstoff: “In Wirklichkeit sind Bäume ganz faszinierende Lebewesen, mit einem ganz reichen Sozialleben. Da findet jede Menge statt, was wir nicht so einfach sehen können, weil Bäume eben so langsam sind.”
Haben Bäume Gefühle?
Wohlleben zufolge haben Bäume ein Gedächtnis und Gefühle. Sie leben im Familienverbund, schließen Freundschaften und tauschen Botschaften miteinander aus, zum Beispiel über Düfte, die die Terpene enthalten. Zudem könnten Bäume über die Wurzeln elektrische Informationen senden und sich damit sogar gegenseitig vor Gefahren wie schädlichen Käfern warnen.
Den Wald kennenlernen und schützen
Wohllebens Aussagen sind populär, stoßen allerdings auf Kritik von Naturwissenschaftlern, weil diese die Annahmen für wenig wissenschaftlich halten. Der Förster aber ist sicher, dass der Wald wegen seines besonderen Klimas eine Art Medizin ist. “Der Blutdruck senkt sich, man wird entspannter, vor allem wenn das ein intakter Wald ist.” Sein Appell: Die Menschen sollten den Wald besser kennenlernen und schützen. Schließlich brauchten sie ihn dringend – auch für ihre Gesundheit.
Quellen: